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BetrieblichesSprachmentoringDeutschkursein UnternehmenSprachcoachingDeutsch am ArbeitsplatzSprachcoaching(IQ)Bausteine zur sprachlichen IntegrationZugewanderter in Betriebenfür Beratende, Planende und Lehrkräfte
2Deutsch am Arbeitsplatz – SprachcoachingImpressumHerausgeber:passage gGmbHMigration und Internationale ZusammenarbeitFachstelle Berufsbezogenes Deutsch im Förderprogramm IQNagelsweg 10, 7 InhaltsverzeichnisEinleitung 41Sprachcoaching im Kontext Berufsbezogenes Deutsch 61.1Ziele, Grundsätze, Leitgedanken 61.2Die Komponenten des Sprachcoachings 81.2.1Die kooperative Bestandsaufnahme 81.2.2Die Sprachlernberatung 81.2.3Die Spracharbeit 91.3Ablauf und Phasen beim Sprachcoaching 92Wer kann als Sprachcoach tätig werden? 11Die Fortbildungsreihe „Sprachcoaching DaZ für Arbeit und Beruf“ 113Umsetzung im Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ 13Layout:Niels Knudsen, Knudsen Kommunikation3.1Landesnetzwerk Nordrhein-Westfalen: Einen Begriff mit Leben gefüllt undweit getragen. Rosa Ferber-Brull 13Foto:Shutterstock3.2Landesnetzwerk Niedersachsen: Die drei Seiten im SprachcoachingKathrin Schomburg 173.3Landesnetzwerk Hamburg (NOBI): Große Nachfrage nach individuellerBegleitung. Judith Rudolph 203.4Landesnetzwerk Bremen: Selbstgesteckte Ziele werden erreichbarMirjam Steger Autorin:Rita LeineckeBeiträge aus den IQ Landesnetzwerken:Swetlana Dominnik-Bindi, Rosa Ferber-Brull, Katharina Enters, Simone Mahgoub,Iska Niemeyer, Judith Rudolph, Kathrin Schomburg, Mirjam Steger, Katrin VolkmannRedaktion:Sarita Batra, Rita LeineckeStand:1. Auflage Dezember Aus förderrechtlichen Gründen und um Barrierefreiheit zu garantieren, berücksichtigenwir in dieser Publikation den Genderaspekt sprachlich, indem wir die weibliche und diemännliche Sprachform verwenden. Wo möglich, setzen wir neutrale Begriffe ein. Wirweisen darauf hin, dass wir trotz des Verzichts auf Gender-Gap oder * ausdrücklichauch jene Personen einschließen, die sich sozial und/oder biologisch jenseits derbinären Geschlechterkategorien positionieren.22Gelebtes Integriertes Fach- und SprachlernenIska Niemeyer 243.5Landesnetzwerk Berlin: Flexibilität und Lernerorientierung – Sprachcoaching amArbeitsplatz während der Anpassungsqualifizierung. Katrin Volkmann 243.6Landesnetzwerk Hessen: Sprachcoaching beim Einstieg in den ArbeitsmarktKatharina Enters 283.7Landesnetzwerk Thüringen: Positive Effekte in Bezug auf die berufliche SituationSwetlana Dominnik-Bindi 303.8Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz: Von der Qualifizierungsberatungzum Sprachcoaching. Simone Mahgoub 314Empfehlungen und Ausblick 325Literatur und Links 34
4Deutsch am Arbeitsplatz – SprachcoachingEINLEITUNGNoch immer stellen sprachlich kommunikative Anforderungen am Arbeitsplatz oder in Qualifizierungen für viele Zugewanderte eine Hürde dar. Manche finden daher keine oder keine ihrer Qualifikation entsprechende Beschäftigung oder sind von Kündigung bedroht.1 Anderen ist im Job wegensprachlicher Schwierigkeiten ein beruflicher Aufstieg nicht möglich oder sie können sich nicht indem Maße am Arbeitsplatz einbringen wie sie gerne würden.Die Erfahrung hat gezeigt, dass allgemein ausgerichtete Deutschkurse meist nicht ausreichen, damitneu Zugewanderte den speziellen Kommunikationsanforderungen eines komplexen Berufslebensgerecht werden - sofern überhaupt mit einer Berufstätigkeit oder Qualifizierung zu vereinbarendeKurse vor Ort verfügbar und diese für die betreffenden Personen finanzierbar sind. Es gibt zwarauch berufsfeldspezifische Deutschkurse. Diese können jedoch die Bandbreite der Professionennicht abdecken.2 Noch seltener sind innerbetriebliche Deutschkurse, die sich an den speziellenkommunikativen Anforderungen des Unternehmens ausrichten.Daher kann eine individuelle Unterstützung, die das eigenverantwortliche Sprachlernen für denBeruf stärkt, sowohl eine gewinnbringende Ergänzung von Deutschkursen als auch eine Alternativesein, wenn es keine passenden Kursangebote gibt.Auf Forschung und Praxis in den Themenfeldern Deutsch am Arbeitsplatz bzw. Sprachlernberatungfür Deutsch als Fremdsprache (DaF) aufbauend und an verschiedene Coachingansätze anknüpfend,galt es, den Begriff Sprachcoaching für den Bereich Deutsch als Zweitsprache für Arbeit und berufliche Qualifizierung inhaltlich und konzeptionell auszugestalten.platz unterstützt hier das arbeitsplatzbezogene integrierte Fach- und Sprachlernen von Personen,die sich in betrieblichen Anpassungsqualifizierungen befinden.In der vorliegenden Publikation werden die Grundsätze und Leitgedanken des Sprachcoachingsvorgestellt und die einzelnen Komponenten näher erläutert sowie ein Überblick über die Fortbildungsreihe „Sprachcoaching für Arbeit und Beruf“ gegeben. Danach stellen Mitarbeiterinnenaus den Landesnetzwerken vor, in welcher Form Sprachcoaching in ihren jeweiligen Teilprojektenumgesetzt wurde. Wie Sprachcoaching im Idealfall als „Dreiklang“ mit Deutschkursen und Betrieblichem Sprachmentoring verzahnt werden kann, wird im abschließenden Kapitel Empfehlungen undAusblick angesprochen.Diese Broschüre erscheint als zweiter Teil der Reihe „Deutsch am Arbeitsplatz. Bausteine zursprachlichen Integration Zugewanderter in Betrieben“. Die erste Broschüre zum BetrieblichenSprachmentoring beschreibt den Betrieb als Lernort und zeigt Möglichkeiten, wie Kolleginnen undKollegen beim Ausbau arbeitsplatzbezogener Deutschkenntnisse unterstützend wirken können.Als dritter Teil der Reihe ist eine Veröffentlichung zu Deutschkursen in Unternehmen in Vorbereitung.Hamburg, Dezember In den Jahren wurde im IQ Landesnetzwerk Nordrhein-Westfalen im Modellprojekt„SPRUNQ - Sprachcoaching für berufliche Unterstützung und Qualifizierung“, Träger AWO Kreisverband Bielefeld e.V., Sprachcoaching als ein vielseitig einsetzbares Instrument entwickelt. Darüberhinaus wurde eine fünfmodulige Fortbildungsreihe für DaZ-Lehrkräfte konzipiert und mehrfachdurchgeführt, um das Konzept mit entsprechend qualifiziertem Personal umzusetzen.Die Fortbildung und das Sprachcoachingkonzept wurden inzwischen in viele IQ Landesnetzwerkeübertragen. Es wurden entweder eigenständige Teilprojekte zu Sprachcoaching aufgebaut oder derAnsatz in Qualifizierungen und Brückenmaßnahmen integriert.Im IQ Landesnetzwerk Berlin wurde im Projekt „MAZAB - mit Anpassungsqualifizierung zum anerkannten Berufsabschluss“ ein vergleichbares Instrument ausgearbeitet. Sprachcoaching am Arbeits1Bspw. sehen 97 bzw. 95% von Vermittlungsfachkräften in den Rechtskreisen SGB III und SGB II als größtes Integrationshemmnisbei der Arbeitsaufnahme Geflüchteter „Geringe Sprachkenntnisse“. Vgl. IAB Kurzbericht 25/20182Im Rahmen der Berufssprachkurse des BAMF werden aktuell fachspezifische Kurse lediglich für die Berufsfelder Einzelhandelund Gewerbe/Technik angeboten. Daneben gibt es in den Berufsfeldern Medizin und für die Gesundheitsfachberufe Kurse, diesich jedoch ausschließlich an Personen im beruflichen Anerkennungsverfahren befinden.Im europäischen Ausland gibt es ebenfalls seit einigen Jahren Ansätze, Coaching im Zusammenhang von berufsbezogener Sprachbildung zu etablieren. Hier seien exemplarisch Beteiligte amEU-Programm „Erasmus “ sowie Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Autonomous LiteracyLearners: Sustainable Results (ALL-SR) “ genannt.Der „Citizens’ Curriculum Guide to Non-directive coaching“ (Braddell) erläutert, wieZugewanderte durch Coaching an ihren vorhandenen Ressourcen orientiert Selbstvertrauenund Bewusstsein aufbauen, um ihre (Zweitsprach-)Lernprozesse selbst zu strukturieren undselbstverantwortlich voranzutreiben. Darauf aufbauend hat in den Niederlanden AnnemarieNeuwenhood den peer coaching-Ansatz „My Plan“ entwickelt (Neuwenhood).
6Deutsch am Arbeitsplatz – Sprachcoaching1SPRACHCOACHING IM KONTEXTBERUFSBEZOGENES DEUTSCH1.1Ziele, Grundsätze, Leitgedankenkönnen Erkenntnisprozesse bei Klientin/Klient ausgelöst werden, die dazu beitragen, mehr Verantwortung für die eigenen Lernprozesse zu übernehmen. Die „eigentliche“ Arbeit liegt also beiKlientin und Klient.Um die Unterstützung des Deutschlernens am Arbeitsplatz und die Begleitung der Lernenden leisten zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen und Rahmenbedingungen erfüllt sein. Ein Blickauf die Forschung in diesem Themenfeld liefert wertvolle Hinweise, um gute Bedingungen für das(Deutsch-) Lernen am Arbeitsplatz zu schaffen.Ein Sprachcoach aus Nordrhein-Westfalen hat Sprachcoaching definiert als eine „privilegierteLernsituation, bei der Klientinnen und Klienten nicht in der Rolle der Lerner, sondern in der einerTeampartnerin/eines Teampartners beim Bearbeiten ihrer Lernbedürfnisse handeln.“3Sprachcoaching ist als ein individuelles Unterstützungsangebot für Zugewanderte konzipiert worden, die für ihre berufliche Entwicklung ihre Deutschkenntnisse ausbauen möchten. Das Angebotwill Menschen über einen kurzen, vorab festgelegten Zeitraum begleiten, um sie darin zu unterstützen, vorhandene Ressourcen zu nutzen bzw. auf sie zugreifen zu können, um auch nach demSprachcoaching ihre zweitsprachlichen Kompetenzen eigenständig weiterentwickeln zu können.Durch Sprachcoaching soll erreicht werden, dass Lernende für sich effiziente Lernwege finden undihre Lernmanagement-Kompetenzen weiterentwickeln. Das heißt unter anderem:Eine Komponente des Sprachcoachings ist die Spracharbeit, in deren Rahmen Sprachcoach undKlientin/Klient exemplarisch an konkreten sprachlichen Anliegen arbeiten, zu denen auch dasErklären von Phänomenen und Regeln der deutschen Sprache und methodisches Anleiten gehörenkönnen. Sprachcoachs müssen daher über eine Qualifizierung und/oder Erfahrung im Unterrichtenvon Deutsch als Zweitsprache verfügen und sich Coaching-Kompetenzen aneignen.4 Oder sie sindausgebildete Coachs, die sich so gute DaF/DaZ-Vermittlungskompetenzen angeeignet haben, dasssie explizit auf die sprachlichen Aspekte fokussieren können.››››››Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache müssen für das Sprachcoaching sehr bewusst ihre Rolle zueiner Begleiterin/einem Begleiter auf Augenhöhe wechseln und dürfen anstatt auf ein definierteszu erreichendes Unterrichtsziel hin ergebnisoffen arbeiten.eigene Lernziele und Lerngegenstände bestimmensich der eigenen Motive und Einstellungen zum Lernen bewusst seinLernstrategien, Materialien und soziale Arbeitsformen auswähleneigene Potenziale zur Selbstorganisation entdecken und entfaltendie eigenen Fortschritte verfolgen und die Ergebnisse evaluierenMotivation und Selbstwirksamkeit aufbauenVoraussetzungen und Rahmenbedingungen für SprachcoachingSelbstreflexion und Verantwortung für die eigenen Lernprozesse zu übernehmen sind Bestandteiledes Sprachcoachings. Daher ist es wichtig, dass Teilnehmende das Angebot freiwillig wahrnehmen. Zueiner Teilnahme verpflichtet zu werden, widerspräche den Grundsätzen einer Zusammenarbeit aufAugenhöhe zwischen Sprachcoach und Klientin/Klient. Wichtig ist auch, vor Beginn Vertraulichkeit zuvereinbaren. Klientinnen und Klienten müssen darauf vertrauen können, dass das, was im Sprachcoaching besprochen wurde, nicht ohne ihr ausdrückliches Einverständnis an Dritte weitergegeben wird.Eine flüssige Verständigung zwischen Sprachcoach und Klientin/Klient sollte gegeben sein – in derRegel auf Deutsch, ggf. kann aber auch eine andere gemeinsame Sprache herangezogen werden.Haltung, Rollenverständnis und Qualifikation der SprachcoachsDie Konzeptentwicklerinnen und -entwickler des Sprachcoachings haben Grundsätze und Methoden verschiedener Coachingansätze und der Lernberatung auf die Begleitung von Menschen, dieDeutsch als Zweitsprache für den beruflichen Kontext brauchen, übertragen. Grundlegend ist eineHaltung, Klientinnen und Klienten bei der Findung eigener Lösungen zu unterstützen anstatt ihnenLösungsvorschläge zu liefern, also eine nicht-direktive Haltung einzunehmen. Mit FragetechnikenVon Vorteil ist, wenn ein Sprachcoach über Arbeitserfahrungen in oder mit Unternehmen verfügt.Den Arbeitsplatz als Sprachlernort einbeziehenDa Sprachcoaching im Förderprogramm IQ in erster Linie auf berufsbezogene Aspekte ausgerichtetist, liefern die jeweiligen Arbeitsplätze der Klientinnen und Klienten sowohl die kommunikativenZielsituationen (die sprachlich kommunikativen Anforderungen) als auch Gelegenheiten zu lernenund Deutschkenntnisse weiter zu entwickeln.Unternehmen und Einrichtungen können zum Erfolg von Sprachcoaching beitragen, indem sie denSprachcoachs die Gelegenheit geben, Aufgabengebiete der Klientinnen und Klienten, Arbeitsabläufe und die im Betrieb vorherrschende Sprachpraxis kennen zu lernen bzw. benennen, welche Lernbedarfe es aus ihrer Sicht gibt. Im Gegenzug können Sprachcoachs die Unternehmen beraten, wiesie sprachlich herausfordernde Aspekte der Arbeit stärker berücksichtigen und ihre zugewandertenMitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser unterstützen können.SPRUNQ Projektdokumentation, S. 21,Unterstützung beim Spracherwerb durch nicht Deutsch als Zweitsprach-Lehrkräfte, z.B. durch Kolleginnen und Kollegen oderVorgesetzte wird als Betriebliches Sprachmentoring bezeichnet. Siehe Baustein 1 „Betriebliches Sprachmentoring“ user upload/PDF/10 Fachstelle/Betriebliches Sprachmentoring Deutsch-amArbeitsplatz.pdf)34
8Deutsch am Arbeitsplatz – Sprachcoaching1.2Die Komponenten des SprachcoachingDas Sprachcoaching setzt sich aus drei Komponenten zusammen, die miteinander verzahnt sind undje nach Anliegen der Klientinnen und Klienten eine unterschiedliche Gewichtung haben können.1.2.1 Die kooperative BestandsaufnahmeHier wird einerseits die Ausgangslage hinsichtlich der vorhandenen Kompetenzen und verfügbaren Ressourcen der Klientinnen und Klienten erfasst. Andererseits werden die beruflichen Zieleidentifiziert sowie jene sprachlichen Faktoren, die berufliche Handlungsfähigkeit ermöglichen undbedingen.Ausgehend von der Frage, was sollten, können und wollen die Klientinnen und Klienten warum,wozu und wie lernen, nutz